Sex & Crime geht immer
Gestern wurde im Fernsehen der Spielfilm “Ironclad” gezeigt, die Handlung spielte im Jahr 1215, also im tiefsten Mittelalter. Danach gab es “Game of Thrones” — Sex & Crime mit mittelalterlicher Kulisse.
Viele fahren auf diese Serie total ab. Sex & Crime funktioniert beim breiten Publikum anscheinend am besten. Sie lieben geradezu den Kick, den sie durch Gefahrensituationen, sei es im Film oder im realen Erleben, erfahren.
Dieses Kribbeln im Bauch wird regelrecht zur Sucht. Die Ereignisse, die den geliebten Kick auslösen, müssen immer intensiver werden, damit der Kick überhaupt noch als solcher wahrgenommen werden kann. So werden Menschen zu Adrenalin-Junkies.
Ebenso ist es mit Videospielen. Der Unterhaltungswert scheint am größten, je mehr darin herumgeballert wird. Der Unterschied zwischen Filmen und Videospielen liegt in der Passvität bzw. Aktivität des Zuschauers oder Anwenders.
Fake oder real — dem Gehirn ist’s egal
Allerdings macht es für unser Gehirn keinen Unterschied, ob wir nur Beobachter eines Ereignisses sind oder ob wir ein Ereignis tatsächlich erleben. Unser Gehirn nimmt die Bilder, die in einem Film gezeigt werden, als real an und sendet bestimmte Botenstoffe aus, die eine Reaktion in unserem Körper hervorrufen. Im Falle von Gewalt- und Todesszenen, schaltet unser Gehirn auf “Alarmbereitschaft” um und schüttet Stresshormone aus, die der Organismus in einer realen Gefahrensituation zum Kampf oder zur Flucht benötigen würde. Diese Stress-Energien (Adrenalin, Noradrenalin und Kortisol) bleiben im Nervensystem gebunden. Werden wir sie nicht wieder los, kann dies fatale Folgen haben für die psychische und körperliche Gesundheit.
Sehen wir uns immer wieder solche Gewaltszenen an oder spielen ständig Videospiele, bei denen wir andere töten sollen (auch wenn es “nur” Spielzeugfiguren sind), führt dies über kurz oder lang zu Dauerstress in unserem System. Es kommt zu strukturellen Veränderungen im Gehirn. Die Aggressivität steigt, Hemmschwellen sinken. Die eigene Gewaltbereitschaft wächst. Der Körper steht ständig unter Strom, unsere Psyche ebenfalls. Langfristig kommt es zu Persönlichkeits- bzw. Wesensveränderungen.
Nicht selten kommt es vor, dass Menschen (besonders Kinder und Jugendliche), die eine gewaltvolle Szene sehen, traumatisiert werden. Man spricht hier von sekundärer bzw. tertiärer Traumatisierung.
Welche Sendungen und Filme siehst du dir am liebsten an? Was schauen deine Kinder gerne?
Verfolgst du regelmäßig die Nachrichten im Fernsehen oder Internet? Und regst du dich regelmäßig über das dort Gezeigte auf?
Dann wundere dich bitte nicht über
- Schlafstörungen
- Unruhe
- Verspannungen in der Kiefer‑, Nacken- und Schultermuskulatur
- Kopfschmerzen
- Übelkeit
- Aggressionen
- depressive Verstimmungen
- Konzentrationsstörungen
- chronische Müdigkeit und vieles mehr…
Das Monster in uns
Videospiele sind noch schlimmer, was unser latent schlummerndes Aggressionspotential betrifft. Hier kann der Spieler aktiv am Geschehen teilnehmen. Hier kann er seine Gegenspieler per Knopfdruck “ausschalten”. Er lernt, dass er die Macht hat, andere zu befehligen oder sogar zu töten, auch wenn es sich dabei “nur” um irgendwelche Monster handelt, die es im “richtigen” Leben nicht gibt. Diese Konditionierung hat aber fatale Auswirkungen auf das “richtige” Leben und den Umgang mit anderen Menschen, z. B. Familienmitglieder, Freunde, Mitschüler etc.
Dieser Dauerstress in deinem System wirkt zerstörerisch. Du wirst krank und weißt womöglich gar nicht warum, weil du deine Symptome nicht mit den täglichen Nachrichten im TV oder Actionfilmen in Verbindung bringst.
Sicherlich haben Actionfilme auch einen angenehmen Unterhaltungswert. Wenn das Verhältnis von lustigen Szenen, bei denen man herzhaft lachen kann und gewaltvollen Szenen, wo man am liebsten gar nicht hinsehen würde, ausgewogen bleibt, pendelt unser Organismus zwischen Anspannung und Entspannung hin und her. Das ist zwar auch stressig, aber immer noch besser, als ständig in Abwehrhaltung und mit verzerrtem Gesicht, geballten Fäusten und verkrampftem Bauch vor der Glotze zu sitzen.
Die Brutalität nimmt zu
Doch in den letzten Jahren sind Gewaltszenen immer brutaler und blutrünstiger geworden. Ich frage mich, wozu? Brauchen wir das wirklich, um uns gut unterhalten zu fühlen? Ist unser intellektuelles Niveau wirklich so tief gesunken?
Ich stehe auch auf Actionfilme, wenn die Story einigermaßen anspruchsvoll und nachvollziehbar ist, der Humor nicht zu kurz kommt und ich nicht das Gefühl habe, als Zuschauer total verarscht zu werden.
Als Kind habe ich mir gerne Tom & Jerry angesehen. Was die beiden sich alles angetan haben… und doch wusste ich immer, dass das alles nur Trick und Spiel ist. Nie wäre ich auf die Idee gekommen, meine kleine Schwester aus dem 5. Stock zu werfen, nur um zu sehen, ob sie tatsächlich unversehrt wieder aufsteht.
Beobachte dein Fernsehverhalten
Ich möchte dich ermuntern, einmal darauf zu achten, was du dir dauerhaft im Fernsehen oder im Internet anschaust. Beobachte das doch einmal für vier Wochen und notiere dir, welche Sendungen du am liebsten und am meisten anschaust. Beobachte auch, wie viele Stunden du und deine Kinder vor dem Fernseher verbringen und notiere auch das.
Wenn du deinen Stress reduzieren willst, frage dich, ob du wirklich jede Nachrichtensendung sehen musst, wo es vor Negativmeldungen nur so wimmelt. Ist es vielleicht so, dass du mitguckst, was dein Partner sich gerade anschaut, obwohl du im Grunde genommen gar keine Lust darauf hast und der Film dich total runterzieht. Viele tun es trotzdem, damit sie nicht alleine da hocken müssen, denn das würde sie womöglich noch mehr runterziehen.
Frage dich, ob es das wert ist, dass dein emotionales Gleichgewicht dauerhaft aus dem Ruder gerät, nur weil du ihm oder ihr zuliebe mitguckst, was du eigentlich verabscheust.
Lass auch deine Kinder nicht jeden Mist im Fernsehen anschauen, nur weil du gerade deine Ruhe haben willst. Auch wenn es scheinbar “harmlose” Zeichentrickfilme sind. So harmlos sind viele nämlich gar nicht.
Wie wäre es zur Abwechslung mit einem Ausflug in die Natur, wo du dich mit Freunden und Familie mal wieder richtig austoben kannst? Abends werdet ihr alle todmüde ins Bett fallen und herrlich schlafen.
In diesem Sinne wünsche ich dir und deinen Lieben wahrhaft “gute Unterhaltung”.