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Leere Bank - Einsamkeit

War­um heu­chelst Du Lebens­lust, obwohl Du ein­sam bist?

Wür­dest Du einem frem­den Men­schen gegen­über zuge­ben, dass Du Dich ein­sam fühlst? War­um glau­ben wir, uns ver­stel­len zu müs­sen, wenn wir jeman­den ken­nen­ler­nen wol­len? War­um gehen wir davon aus, jeman­den nur dann für uns gewin­nen zu kön­nen, wenn wir uns als “tol­ler Hecht” oder “star­ke Power­frau” prä­sen­tie­ren? War­um heu­cheln wir Lebens­lust, obwohl wir ein­sam sind?

Vie­le Men­schen sind ein­sam — zu viele

Nor­man und Mag­de sind vor eini­gen Tagen in Jai­pur ange­kom­men und woh­nen im glei­chen Hotel. Bei­de sind im gesetz­ten Alter und Sin­gles. Bei­de hof­fen, auf ihre “alten Tage” in Indi­en noch ein klein wenig Glück zu finden.

Eines Abends sitzt Nor­man in der Lounge eines schi­cken Hotels im glei­chen Ort. Da taucht Mag­de plötz­lich auf, die eben­falls auf Streif­zug ist, ent­deckt Nor­man und setzt sich zu ihm. Dem gefällt das nicht son­der­lich, und er bedeu­tet Mag­de, dass sie ihm gera­de die Tour ver­mas­selt. Denn die Lady dort an der Bar sehe ihn dau­ern an. “So, wie man ein Muse­ums­stück ansieht”, gibt Mag­de spöt­tisch zurück.

“War­um spot­ten Sie?”, fragt Nor­man ent­täuscht. “Ich möch­te mich nur wie­der jung füh­len, spü­ren, dass ich gebraucht wer­de, so wie ich ande­re brau­che, und sei es nur für eine Nacht – eine wun­der­vol­le Nacht. Sie ken­nen die­ses Gefühl doch auch?”

Mag­de ver­steht und arran­giert mit weib­li­chem Geschick die Zusam­men­kunft von Nor­man und der Lady an der Bar. Ihr Name ist Carol. Sie möch­te wis­sen, was Nor­man so treibt. Er stam­melt etwas von Import-Export-Geschäf­ten und ver­sucht krampf­haft, lus­tig und locker zu sein. Sei­ne Bemer­kun­gen Carol gegen­über sind aller­dings so plump und sein Lachen so auf­ge­setzt, dass es Mag­de als­bald zu viel wird und sie unter einem Vor­wand das Wei­te sucht.

Das Gespräch zwi­schen Nor­man und Carol wird immer holp­ri­ger. Bei­de wis­sen nicht recht, was sie noch sagen sol­len und schwei­gen betre­ten. Carol fühlt sich sicht­lich unwohl und will die Situa­ti­on ver­las­sen: “Wis­sen Sie, unse­re klei­ne Plau­de­rei war sehr nett, nur…”

“Nein, war sie nicht”, erwi­dert Nor­man und ärgert sich über sich selbst.

“Nein, war sie nicht”, gibt Carol zu, “aber ich muss jetzt wirk­lich gehen”.

“Hören Sie, Carol, kön­nen wir die gan­ze Heu­che­lei nicht las­sen und noch­mal anfan­gen? Ich bin nicht char­mant oder beson­ders schlag­fer­tig…” Nach einer klei­nen Pau­se blickt er ihr ins Gesicht und offen­bart ihr mit ruhi­ger, fes­ter Stim­me: “Mein Name ist Nor­man – und ich bin einsam.” —

“Mein Name ist Carol, und ich bin es auch.”

Was glaubst Du, wie die Geschich­te wei­ter­geht? Nun, wenn Du den Film “Best Exo­tic Mari­gold Hotel” gese­hen hast, dann weißt Du es. Und wenn nicht, hast Du viel­leicht Muße, dar­über nach­zu­den­ken, wie es wohl sein könnte.

Was tust Du, wenn Du ein­sam bist? 

Wie gehst Du mit Ein­sam­keit um? Ziehst Du Dich zurück und ver­sinkst in Trau­rig­keit, Selbst­mit­leid und Lethar­gie? Oder bist Du eher dar­an inter­es­siert, die­sen Zustand so schnell wie mög­lich zu beenden?

Frau­en haben meist eine bes­te Freun­din, die sie anru­fen. Män­ner  gehen viel­leicht mit ihrem bes­ten Freund oder Kum­pel ein Bier trin­ken. Aber nach dem Tele­fo­nat und nach dem Knei­pen­be­such sind bei­de wie­der allei­ne. Und dann kom­men die Gedan­ken zurück und dre­hen ihre Run­den, immer und immer wie­der. Doch damit ist es natür­lich nicht getan. Das Gefühl der Ein­sam­keit ist so erdrückend.

Wenn Du jung bist, kommst Du damit viel­leicht eine Zeit­lang klar. Irgend­wann kommt schon der Rich­ti­ge oder die Rich­ti­ge. Aber wenn Du im fort­ge­schrit­te­nen Alter bist, sin­ken die Chan­cen, noch­mal jeman­den ken­nen­zu­ler­nen, der sich für eine Bezie­hung eig­net. Man selbst ist viel­leicht auch nicht mehr so fle­xi­bel. Nicht jeder gibt sich mit einem One-Night-Stand zufrie­den, aber vie­le wären schon glück­lich, nur eine Nacht mit jeman­dem zu ver­brin­gen und das Gefühl zu haben, doch noch begeh­rens­wert und lie­bens­wert zu sein. Nähe, Inti­mi­tät, Gebor­gen­heit, Wär­me und Haut-an-Haut-Gefühl sind nicht nur was für jun­ge Leu­te, son­dern erst recht auch für Älte­re. Denn die haben das oft jah­re­lang vermisst.

Bist Du bereit, die Mas­ke fal­len zu lassen?

In der Geschich­te von Nor­man und Carol hat mich am meis­ten beein­druckt, dass Nor­man sich getraut hat, sein Befin­den anzu­spre­chen. Als er mit dem Rücken an der Wand stand und sei­ne Chan­cen bei Carol end­gül­tig zu schwin­den droh­ten, als er merk­te, dass das alte Kon­zept nicht mehr funk­tio­niert, konn­te er plötz­lich sei­ne Mas­ke fal­len las­sen und sich so zei­gen, wie er ist. Er ent­spann­te sich total, und auch Carol konn­te sich nun ent­span­nen. Wie wun­der­voll. Das ist die Basis für einen Neu­an­fang – Offen­heit und Ehrlichkeit.

Ich fin­de es ziem­lich merk­wür­dig und fra­ge mich, war­um wir es offen­sicht­lich nötig haben, ande­re zu mani­pu­lie­ren, in dem wir etwas heu­cheln, was gar nicht vor­han­den ist. Aber irgend­wann kommt die ande­re Sei­te von uns ja sowie­so zum Vor­schein. Doch meist haben wir dann unse­re Part­ner schon sicher oder glau­ben es zumindest. 

Der ers­te Ein­druck ist nicht mehr zu kor­ri­gie­ren, so heißt es jeden­falls. Aber die Geschich­te von Nor­man und Carol zeigt, dass das nicht stimmt. Der ers­te Ein­druck ist sehr wohl zu kor­ri­gie­ren. Der Punkt ist, dass wir oft kei­ne zwei­te Chan­ce dafür bekommen.

Ist es nicht selt­sam, dass wir die glei­chen Mus­ter immer wie­der abfah­ren? Und es funk­tio­niert auch jedes Mal aufs Neue — jeden­falls eine Zeit­lang. Viel­leicht braucht man ein gewis­ses Alter oder viel Lebens­er­fah­rung, um damit auf­hö­ren zu kön­nen. Was denkst Du?

Das Bewusst­sein unse­rer eige­nen End­lich­keit lässt uns anders handeln

Wie wür­de Nor­man wohl als jün­ge­rer Mensch — sagen wir im Alter von 25 oder 35 gehan­delt haben? Ob er genau so ehr­lich gewe­sen wäre und zuge­ge­ben hät­te, dass er sich ein­sam fühlt? Ich glau­be nicht. Ich glau­be, es ist das Bewusst­sein unse­rer eige­nen End­lich­keit, das uns im Alter direk­ter, ehr­li­cher und ziel­stre­bi­ger wer­den lässt, wenn wir etwas errei­chen oder haben wollen.

Mit 20 hal­ten wir uns für unsterb­lich und glau­ben, wir haben alle Zeit der Welt. Aber dann sind wir auf ein­mal nicht mehr 20, son­dern 50, 60, 70 oder noch älter. Da ist für puber­tä­res Geplän­kel und sinn­lo­ses Drum­her­um kei­ne Zeit. Da packt man die Gele­gen­heit beim Schopf, da kommt man auf den Punkt. Schließ­lich will man noch etwas von­ein­an­der haben, und man weiß nie, wie lan­ge es noch geht, nicht wahr? Das weiß man mit 20 zwar auch nicht, aber in dem Alter denkt man noch nicht an sein irdi­sches Ende.

Nicht, dass ein Ken­nen­ler­nen im Alter nicht ver­spielt, roman­tisch und nett sein kann, aber es hat eine ande­re Qua­li­tät als in jün­ge­ren Jah­ren. Wenn wir erkannt haben, dass wir uns selbst und ande­ren nichts mehr bewei­sen müs­sen, brau­chen wir uns auch nicht mehr zu ver­stel­len. Wir kön­nen uns so geben, wie wir sind — und das ganz locker und selbstbewusst.

Mein Tipp:

Wenn Du ein­sam bist und dar­an etwas ändern willst, fin­de einen Men­schen, dem Du das mit­tei­len möch­test (auf wel­chem Weg auch immer). Jeman­den, der das ver­steht. Viel­leicht jeman­den, dem es genau­so geht. Es kann ein bekann­ter Mensch sein oder auch ein ganz frem­der. Das spielt kei­ne Rol­le. Wich­tig ist, dass Du Dir bewusst machst, was Dich bewegt. Hör auf, so zu tun, als sei alles in Ord­nung. Es ist kei­ne Schan­de, ein­sam zu sein. Es gibt unzäh­li­ge Men­schen, die sich ein­sam füh­len, die sich — genau wie Du — nicht trau­en, das zuzu­ge­ben und glück­lich wären, wenn sie jeman­den wie Nor­man oder Carol tref­fen würden.


Film­tipp:


Best Exo­tic Mari­gold Hotel (2012)

Der Film ist ein Plä­doy­er für das Alter und das Altern…