Mobbing: Psychoterror am Arbeitsplatz
Arbeitskollegen können ganz schön gemein sein. Besonders, wenn sie der Meinung sind, sie seien etwas Besseres. Wenn ihnen dann noch deine Nase nicht gefällt, bist du dran, egal, wie nett oder kompetent du bist.
Dr. Cholerikus
Vor vielen Jahren hatte ich einen Kollegen, der eine Freude daran zu haben schien, andere zu gängeln und zu provozieren. Das hat er nicht nur mit mir, sondern auch mit anderen Kollegen gemacht. Er war von cholerischem Charakter, deshalb nenne ich ihn hier Dr. Cholerikus. Wir waren beide in einer Bundesoberbehörde beschäftigt. Ich war Referats-Sekretärin, mein Kollege hatte einen Doktortitel, den Beamtenstatus und eine entsprechend dotierte Besoldungsgruppe.
Talente werden nicht immer von allen geschätzt
Ich hatte immer schon eine schnelle Auffassungsgabe und konnte mich rasch in neue Themengebiete einarbeiten. Meine Arbeiten erledigte ich nicht nur gewissenhaft, sondern auch noch in einem Tempo, dass mein Referatsleiter immer staunte und lache und mich fragte, ob ich zaubern könne. Und so kam es hin und wieder vor, dass am Ende meiner Arbeit noch viel Zeit übrig war. Früher nach Hause gehen durfte ich nicht, schließlich hatte ein Arbeitstag 7,5 Stunden, und die mussten “abgesessen” werden, egal ob man was zu tun hatte oder nicht. So war das jedenfalls damals im Öffentlichen Dienst.
Mein Referatsleiter sagte immer: “Frau Geiss, wenn Sie nach Leistung bezahlt werden würden, hätten Sie bereits mittags Feierabend.”
Der Leiter eines anderen Referates meinte, ich gehörte mit meinen Fähigkeiten in die freie Wirtschaft, dort könnte ich viel mehr Geld verdienen als im Öffentlichen Dienst. Tja, da mag er Recht gehabt haben, aber ich hatte damals ein kleines Kind und war alleinerziehend. Da bot mir der Job in der Behörde die Sicherheit, die ich brauchte. Und ich war glücklich dort.
My office is my castle
Ich hatte damals ein winzig kleines Büro, das nach heutigen EU-Richtlinien gar nicht mehr als Arbeitsplatz durchgehen würde. Darin befanden sich ein Aktenschrank, ein Schreibtisch mit PC, ein Telefon und natürlich ein Drehstuhl. Ich liebte dieses Büro. Es war klein, aber es war mein Reich. Mit den Kolleginnen und Kollegen im Haus hatte ich ein super gutes Verhältnis. Das Arbeitsklima wurde nicht zuletzt durch unseren Referatsleiter auf einem sehr familiären Niveau gehalten. Wir haben das alle sehr genossen.
Dr. Cholerikus hingegen war ein richtiger Stinkstiefel. Er war das, was man “hinterfotzig” nennt. Zuerst tat er dir freundlich ins Gesicht, und kaum dass er sich umgedreht hatte, rammte er dir das Messer in den Rücken. Er konnte es nicht ertragen, wenn ich mal eine halbe Stunde Zeit hatte, um mit anderen KollegInnen im Haus ein Schwätzchen zu halten oder mich für die Arbeit im Labor interessierte.
Und so kam es, dass der werte Kollege immer mal wieder durch die Blume – manchmal auch sehr direkt – hatte fallen lassen, dass die Frau Geiss wohl entweder zu wenig zu tun oder zu viel frei hätte. Dabei war es ihm egal, ob andere Kollegen dabei waren oder nicht. Einmal fragte ich ihn vor versammelter Mannschaft, ob er denn glaubte, dass ich den ganzen Tag nur Däumchen drehen würde. Worauf er antwortete: “Nein, nicht den ganzen!” Meine KollegInnen und ich schauten uns nur an, verdrehten die Augen und grinsten, weil klar war, dass Dr. Cholerikus mal wieder eine Laus über die Leber gelaufen sein musste.
Er war auch ein Meister der Unterstellungen. Ich erinnere mich, dass er ein paar Mal versuchte, mir etwas unter die Weste zu jubeln, um mich dann “hochgehen” zu lassen. Da ich den Braten aber schon 10 Meilen gegen den Wind roch, beugte ich vor und machte mir zu allem, was er mir auftrug, Notizen und zeichnete die Arbeiten, die ich erledigt hatte, mit Datum und Kürzel ab. Obendrein machte ich davon Kopien und verwahrte sie bei mir auf. Wie gut, dass ich das tat.
Nicht mit mir!
Eines Tages kam er zu mir ins Büro und versuchte, mich zur Sau zu machen, weil ich angeblich eine bestimmte Aufgabe nicht erledigt hätte. Ich griff kurzerhand in meine Schublade und zog das Beweisstück hervor. Das brachte ihn erst recht auf die Palme, denn mit so viel Pfiffigkeit meinerseits hatte er nicht gerechnet. Er hielt sich nämlich für oberschlau. Da kannte er aber die Frau Geiss noch nicht. Die hat zwar keinen akademischen Grad, steht Dr. Cholerikus jedoch in Sachen Intelligenz und Straßenschläue in nichts nach. Ätsch.
Als er dabei war, mich anzubrüllen, wurde ich immer ruhiger, stand nur da und schaute ihn an, bis er fertig war. Durch die Lautstärke, die er an den Tag legte, ließ es sich nicht vermeiden, dass die KollegInnen im Haus das mitbekamen.
Dann brüllte ich zurück: “Du verlässt auf der Stelle mein Büro. Und du kommst erst dann zurück, wenn du wieder normal geworden bist. Dann darfst du mich fragen, ob ich wieder etwas für dich schreibe. Andernfalls kannst du dich in Zukunft an die Schreibkanzlei im Haupthaus wenden.”
Dr. Cholerikus verschlug es die Sprache, er lief puterrot an und drohte fast zu ersticken. Wutentbrannt machte er auf dem Absatz kehrt und verließ mein Büro. Drei Tage lang sprach er kein Wort mit mir. Danach behandelte er mich mit einer Freundlichkeit, die schon fast nicht mehr zu ertragen war. Nicht dass er sich etwa entschuldigt hätte, nein, das hätte Dr. Cholerikus nicht über sich gebracht. Aber er machte sich mit seinem Verhalten zum Gespött des ganzen Referates. Es war köstlich und ging mir runter wie Öl.
Erst viele Jahre später erfuhr ich, dass so ein Verhalten “Mobbing” genannt wird. Und natürlich gibt es viele, die am Arbeitsplatz gemobbt werden. Gott sei Dank bin ich mit genügend Selbstbewusstsein und Schlagfertigkeit ausgestattet, sonst hätte ich mich gar nicht getraut, mich zu wehren.
Was ist Mobbing?
Wir alle haben eine Vermutung, was Mobbing ist, haben es vielleicht selbst schon erlebt oder können zumindest einige der nachfolgenden Punkte benennen:
Die allgemeine Definition von Mobbing geht auf den Psychologen Heinz Leymann (1932–1999) zurück. Er gilt als Pionier in der Mobbingforschung:
„Eine Person wird an ihrem Arbeitsplatz gemobbt, wenn sie im Konflikt mit Kollegen oder Vorgesetzten in eine unterlegene Position gekommen ist und auf systematische Weise über mindestens 6 Monate hinweg mindestens einmal pro Woche einer der folgenden 45 feindseligen Handlungen ausgesetzt ist:“
Einige dieser 45 feindseligen Handlungen seien an dieser Stelle aufgeführt. Die restlichen findest du unter dem o. g. Link.
- Gerüchte werden verbreitet
- Ständige Kritik an der Arbeit oder am Privatleben
- Man gibt dem Betroffenen sinnlose Arbeitsaufgaben
- Man gibt dem Betroffenen Aufgaben, die seine Qualifikation weit übersteigen, um ihn zu diskreditieren
- Man nimmt ihm jede Beschäftigung am Arbeitsplatz, so dass er sich nicht einmal selbst Aufgaben ausdenken kann
- Hinter dem Rücken des Betroffenen wird schlecht über ihn gesprochen
- Sexuelle Handgreiflichkeiten
Die juristische Definition von Mobbing lt. Urteil des Landgerichts Thüringen vom 10.04.2001 (Az. 5 Sa 403/00) lautet:
“Im arbeitsrechtlichen Verständnis erfasst der Begriff des “Mobbing” fortgesetzte, aufeinander aufbauende oder ineinander übergreifende, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienende Verhaltensweisen, die nach Art und Ablauf im Regelfall einer übergeordneten, von der Rechtsordnung nicht gedeckten Zielsetzung förderlich sind und jedenfalls in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder andere ebenso geschützte Rechte wie die Ehre oder die Gesundheit des Betroffenen verletzen…”
zum Volltext
KollegInnen sind keine Punching-Bälle
Es gibt Menschen, die loten mit ihrem Verhalten ihre Grenzen aus und prüfen, wie weit sie bei dir gehen können. Mein Kollege war so jemand. Er versuchte es immer wieder bei mir. Und je mehr Kontra ich ihm gab, desto größer wurde sein Respekt. Im Laufe der Zeit wurde er immer zahmer. Und wenn er mal wieder drohte auszubrechen, wies ich ihn in seine Schranken und gut war.
Manche wollen auch einfach nur ihren Frust und ihre Aggressionen an ihren KollegInnen ablassen, weil sie nicht wissen, wohin damit. Wenn du so jemand bist, solltest du darüber nachdenken, ob ein Anti-Aggressionstraining nicht angebrachter wäre. Kauf dir einen Boxsack und bearbeite den nach Herzenslust. So sorgst du dafür, dass du, deine Mitmenschen und deine Beziehung zu ihnen heil bleiben.
11 Tipps bei Mobbing am Arbeitsplatz
Bist du schon einmal Opfer von Mobbing geworden?
Schreibe mir deine Erfahrungen dazu.
- Wie hast du dich gefühlt?
- Was hast du gesagt/getan?
- Konntest du dich wehren?
- Wenn ja, wie hast du das angestellt?
Wenn du gemobbt wirst und psychologische Unterstützung brauchst, stehe ich dir für ein kostenloses 15-minütiges Telefonat zur Verfügung. Danach kannst du entscheiden, ob du weiter mit mir arbeiten möchtest.
Tel. 030 – 7790 9225
Bildquellen:
Beitragsbild ganz oben:
Anti-Mobbing e.V.: http://www.muenster.org/antimobbing/
“Messer im Rücken”
http://www.spiegel.de/karriere/berufsleben/experten-analysieren-mobbingfaelle-und-geben-tipps-a-825551.html
“Sorry” — Iodilavoro.it
http://www.wirtschaft.ch/Supervision+schuetzt+vor+Mobbing+am+Arbeitsplatz/420600/detail.htm
“Mobbing – eine schlimme Sache”:
https://notendur.hi.is/ems/Forum/artikeldeutsch/Gesellschaft/mobbing1.htm