“Echte Fründe ston zesamme,
ston zesamme su wie eine Jott un Pott.
Echte Fründe ston zesamme,
eß och dih Jlöck op Jöck un läuf dir fott.
Fründe, Fründe, Fründe en dr Nut,
jon´er hundert, hundert op e Lut…” (Übersetzung am Ende des Artikels)
Ja, ja, ich weiß: Karneval ist vorbei. Der Aschermittwoch hat die närrische Zeit beendet und die Fastenzeit eingeläutet. Trotzdem möchte ich heute dieses Kölsche Lied der Höhner zitieren, das nicht nur zur Karnevalszeit hochaktuell ist, sondern jeden Tag im Jahr. Denn in der Not kann man gute Freunde immer gebrauchen, gell. Leider gibt es so wenige davon, ich meine, die echten! Manchmal sonnen sich andere einfach nur in unserem Licht oder heften sich an uns wie die Schmeißfliegen, und wenn’s dann mal brenzlig wird, schwirren sie davon, wie selbige. Echte Freunde sind mit Gold nicht aufzuwiegen…
Was macht für Dich eine echte Freundschaft aus?
Tust Du Dich schwer mit dem Begriff Freundschaft? Warum nennt man den einen Freund und der andere, mit dem man viel mehr und öfter zu tun hat, ist ’nur’ ein Bekannter?
Wie viele Menschen gibt es, die Du Freunde nennst? Nein ich meine nicht Deine Facebook-Freunde und nicht Deine Kumpel, auch nicht die guten Bekannten oder die alten Bekannten. Eine Thekenbekanntschaft ist kein Freund. Obwohl natürlich aus einer Bekanntschaft eine Freundschaft werden kann.
Wie genau definierst Du Freundschaft? Wann darf sich jemand Dein Freund oder Deine Freundin nennen?
Mein Lebensgefährte hat einen Freund, mit dem er seit der 3. Klasse befreundet ist. Die beiden haben ihre Kindheit und Jugend miteinander verbracht, haben (Liebes-)Kummer und Freude geteilt, sind zusammen mit einer alten Rostlaube nach Paris gefahren, haben geheiratet, Trauzeugen und Patenschaften übernommen und was man halt so macht als Freunde. Heute sind beide über 60 und immer noch befreundet. Die gemeinsamen Unternehmungen sind weniger geworden, man sieht sich nicht mehr so oft wie früher, aber es wird mindestens zweimal im Monat miteinander telefoniert. Wenn wir zusammen sind, werden die alten Geschichten von früher erzählt, und wir schmeißen uns jedesmal weg vor Lachen. Einmal hat mein Lebenspartner sogar für seine Freunde, die in Not waren, seinen Job gekündigt, weil der Chef ihm keinen Urlaub geben wollte, um zu ihnen zu fahren und ihnen zu helfen.
Ich habe eine Freundin, die ich nur sehr unregelmäßig sehe und spreche. Da ich in Berlin wohne und sie am Bodensee, telefonieren oder skypen wir meistens miteinander. Ich nenne sie Freundin, weil ich mit ihr meine tiefsten Gedanken teile und sie die ihren mit mir. Sie ist meine Freundin, weil sie mir keinen Schmu um die Backe streicht, sondern mir die Wahrheit knallhart ins Gesicht sagt (liebevoll, aber unverblümt). Wir hauen uns unsere Wahrheiten um die Ohren. Wir bauen uns gegenseitig auf und wachsen aneinander und miteinander. Manchmal sprechen wir uns viele Monate (zuletzt sogar über ein Jahr) nicht. Und dennoch ist es so, als hätten wir uns gestern erst gesehen. Wir haben eine tiefe Herzensverbindung, ich würde sogar sagen, Seelenverbindung.
Für mich hat eine Freundschaft nichts damit zu tun, wie oft man sich sieht, spricht oder wie oft man miteinander ausgeht. Freundschaft heißt für mich, da zu sein. Ich weiß, dass meine Freundin vom Bodensee da ist. Und ich bin auch da, nicht nur für sie , auch für andere Menschen, mit denen ich befreundet bin und die ich lange nicht gesehen habe. Da sein bedeutet nicht, an einem bestimmten Ort zu sein. Verstehst Du, was ich meine?
“Wenn ein Schicksalsschlag dich trifft,
musst du einen Freund haben,
dem du trauen und auf den du bauen kannst.”
(Mr. Hobbs in “Der kleine Lord”)
Hast Du eine Freundin oder einen Freund, die Du nachts um drei anrufen kannst, wenn es sein muss? Gibt es Menschen, die Dich nachts um drei anrufen können?
Jemanden zu haben, bei dem man sich ausweinen und bei dem man sich Erdrückendes von der Seele reden kann, hat etwas unglaublich Entlastendes und Befreiendes. Das offene Ohr eines Freundes bei einem Glas Bier bewirkt manchmal mehr als ein Gespräch bei einem Therapeuten. Es muss auch nicht immer gleich eine Lösung her, zuhören reicht oft schon.
Der Begriff “Freund” oder “Freundin” wird teilweise sehr lax verwendet. Und obwohl ich nicht jeden meinen Freund nennen würde, ist es bei mir dennoch so, dass sich Begriffe wie “Freunde oder Freundschaft” irgendwie aufzulösen scheinen. Sie haben für mich nicht mehr diesselbe Bedeutung wie früher. Ich merke, dass, je mehr ich in mir zuhause bin, ich gar keine Freunde mehr habe. Das klingt seltsam und widersprüchlich, nicht wahr? Und doch fühlt es sich total richtig an. Denn das Gefühl, dass ich in mir habe, geht über Freundschaft weit hinaus. Es ist ein Gefühl von bedingungsloser Annahme, von Liebe zu allem was ist. Es gelingt mir nicht immer, dieses Gefühl über mehrere Stunden oder gar einen ganzen Tag zu halten. Aber ich rufe es mir immer wieder in Erinnerung und übe und übe und übe…
Hier eine kleine Übung für Dich. Beantworte Dir selbst einmal folgende Fragen:
Wen liebst Du?
Wer darf Dich lieben?
Wofür bist Du dankbar?
Wem vertraust Du?
Kannst Du Dich selbst lieben?
Wenn Du nicht aus dem Rheinland kommst oder des Kölschen Dialektes nicht mächtig bist, hier eine Übersetzung und Erklärung des Refrains von “Echte Fründe”:
Echte Freunde halten zusammen,
halten zusammen wie ein Gott und Pott (urkölsches Familiencredo: Wir beten zu einem Gott und essen aus einem Topf; Abk. ‘Jott un Pott’)
Echte Freunde halten zusammen,
ist auch dein Glück unterwegs und läuft dir fort.
Freunde, Freunde, Freunde in der Not,
gehen hundert, hundert auf ein Lot…
(Lot = alte Gewichtseinheit, ca. 14 — 18 g. Bedeutung: Die Freundschaft von 100 “Freunden” wiegt gerade mal so viel wie 1 Lot, d. h. es bleiben Dir in der Not nicht viele Freunde übrig. Wenn Du Glück hast, gerade mal einer, und das ist dann eben ein echter Freund.)