Verlierst Du in kritischen Situationen leicht die Nerven? Fühlst Du Dich schnell überfordert? Konflikte sind für Dich der Horror? Du bist schnell gereizt, wenn nicht alles glatt läuft? Unvorhergesehene Dinge bereiten Dir immensen Streß? Ein kleiner Streit mit Deinem Partner versaut Dir das ganze Wochenende? Dann solltest Du Deine seelische Widerstandsfähigkeit ausbauen. Resilienz heißt das Zauberwort…
Was ist Resilienz?
Manchen Menschen gelingt es, Erfahrungen von Trennung, Verlust, Gewalt, Tod, Alleinsein etc. so zu verarbeiten, daß sie ohne seelischen Schaden zu nehmen weiterleben können. Andere wiederum kommen mit emotionalen Belastungen, Streß und Lebenskrisen überhaupt nicht zurecht und drohen daran zu zerbrechen.
Woran liegt das? Dieser Frage geht die Resilienzforschung auf den Grund.
Resilienz ist ein Begriff aus der Psychologie und meint die Fähigkeit, angemessen mit Streß-Situationen und Krisen umzugehen. Wenn Du bei Wikipedia nachschlägst, findest Du folgende Definition, die oft verwendet wird und leicht verständlich ist:
Resilienz (von lat. resilire ‚zurückspringen‘ ‚abprallen‘) oder psychische Widerstandsfähigkeit ist die Fähigkeit, Krisen zu bewältigen und sie durch Rückgriff auf persönliche und sozial vermittelte Ressourcen als Anlass für Entwicklungen zu nutzen. Mit Resilienz verwandt sind Entstehung von Gesundheit (Salutogenese), Widerstandsfähigkeit (Hardiness), Bewältigungsstrategie (Coping) und Selbsterhaltung (Autopoiesis).
Das Gegenteil von Resilienz ist Vulnerabilität (Verletzlichkeit, Verwundbarkeit). Dies bedeutet, daß Menschen sich emotional schnell verletzt fühlen und dementsprechend empfindlich, gereizt oder auch hilflos reagieren. Sie haben wenig bis keine Möglichkeiten, konstruktiv mit Belastungen, Konflikten und schwierigen Situationen umzugehen.
Resilienz kann man lernen — in jedem Alter
Ob ein Mensch eine gute Widerstandsfähigkeit hat, geht nicht allein auf die Lebensumstände in seiner Kindheit zurück. Jeder Mensch kommt bereits mit einer gewissen “Grundausstattung” an Fähigkeiten auf die Welt.
Die Kindheit spielt allerdings bei der (Weiter)Entwicklung seelischer Widerstandsfähigkeit eine große Rolle. Hier kommt es auf drei wichtige Faktoren an, wie Birgit Wolter in ihrem Artikel “Resilienzforschung” — das Geheimnis der inneren Stärke… (systhema 3/2005, 19. Jhrg., S. 299–304) uns lehrt:
“Unterschiede, die einen Unterschied machen, sind bei
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Resilienz kann aber auch — sofern sie nicht angeboren ist — in allen Lebensphasen erlernt bzw. trainiert werden. Wenn also die Umstände in Deiner Kindheit nicht die günstigsten waren, so kannst Du Deine seelische Widerstandskraft dennoch erlangen und ausbauen.
Hoffnung, Phantasie und Kreativität, Mut, Humor und Entschlossenheit sind nur einige der Eigenschaften, die ein Mensch braucht, um sich an den eigenen Haaren aus dem Schlamassel ziehen zu können.
Die 7 Zutaten für eine heilsame “Kraft-Suppe”
- Optimismus
- Akzeptanz
- Lösungsorientierung
- Opferrolle verlassen
- Verantwortung übernehmen
- Netzwerk-Orientierung
- Zukunftsplanung
Micheline Rampe, Heilpraktikerin für Psychotherapie und Autorin des Buches “Der R‑Faktor” beschreibt die 7 Säulen psychischer Stärke wie die Zutaten für einen Eintopf. Aus diesen 7 Zutaten lässt sich ein leckeres Süppchen kochen. Und wenn eine Zutat gerade nicht verfügbar ist, z. B. die Lösungsorientierung, kann es hilfreich sein, einen guten Freund, einen Freundin oder auch einen Coach oder Therapeuten um Rat zu fragen. Auf diese Weise kannst Du deinen Fokus wieder auf die Dinge lenken, die gut funktionieren, anstatt Dich im Kreis zu drehen und weiter zu leiden.
Die 7 Merkmale resilienter Menschen
Resiliente Menschen gehen mit Herausforderungen und Schicksalsschlägen anders um als Menschen mit geringen seelischen Widerstandsfähigkeiten. Was kannst Du konkret tun, um Deine seelischen Abwehrkräfte zu stärken und zu trainieren?
1. Akzeptiere die Krise und die damit verbundenen Gefühle
Lauf nicht davon und verdränge Deine Gefühle nicht, sondern laß sie zu. Auch wenn das bedeutet, daß Du einen ganzen Tag lang Rotz und Wasser heulst und Dich absolut bescheiden fühlst. Es geht darum, deine Widerstandskraft zu stärken. Nutze also die Krise und halte die negativen Gefühle aus, durchlebe sie. Ich persönlich lasse mich in einer Krise ganz in den Strudel dieses Gefühls hineinziehen, bis ich am Grund angekommen bin. Dann mache ich einen Schritt zur Seite, trete quasi aus dem Strudel heraus und schwimme wieder an die Oberfläche. Lasse Deinen Gefühlen freien Lauf, gehe in den Wald, schreie und tobe, wenn Dir danach ist. Oder schlag auf Deine Matratze ein, um Deine Aggressionen loszuwerden. Das ist besser, als ein Lebewesen zu vermöbeln, nicht wahr.
2. Suche nach Lösungen
Hör auf zu jammern, es bringt nichts. Die Sache läßt sich nicht mehr rückgängig machen. Mit dem Schicksal zu hadern und darüber zu klagen, zieht Dich nur noch mehr runter, und Du steigerst Dich regelrecht rein. Im schlimmsten Fall ziehst Du auch noch andere mit. Das willst Du ja eigentlich gar nicht. Lenke Deine Aufmerksamkeit auf Möglichkeiten zur Bewältigung und frage Dich, was Du tun kannst, um die Krise zu meistern.
3. Vernetze Dich mit anderen
Es ist schwieriger, Probleme alleine zu lösen. Oft klappt das auch gar nicht. Nicht zuletzt deswegen, weil Du die “Problem-Brille” aufhast oder emotional so befangen bist, daß Du gar nicht mehr klar denken kannst. Hier ist es hilfreich, Freunde und Familie einzubeziehen und mit ihnen gemeinsam nach einer Lösungsmöglichkeit für Dein Problem zu suchen. Wichtig sind empathische, d. h. mitfühlende Menschen, die Dir keine Vorwürfe machen, sondern Dich aufbauen und Dich konstruktiv unterstützen wollen. Manchmal genügt es, mit einem Freund ein Bierchen an der Bar zu nehmen, manchmal braucht es auch professionelle Unterstützung durch einen Coach oder Therapeuten.
4. Löse Dich aus der Opferhaltung
Wenn Dir immer wieder blöde Sachen passieren — z. B. wirst Du gemobbt, Du verlierst ständig Deinen Schlüssel oder wirst mehrmals hintereinander beklaut -, dann kommst Du womöglich auf die Idee, dich als Opfer zu fühlen und Dir die Frage zu stellen: “Warum immer ich?” Hier ist die Fähigkeit zur Selbstreflexion sehr hilfreich. Wenn Du merkst, daß Du wieder diesen oder ähnliche Gedanken denkst, dann beobachte das, akzeptiere deine Gedanken für einen Moment und lenke sie dann um. Konkret heißt das: Aus “Ich kann ja doch nichts machen” könnte dann ein “Ich versuche es” werden.
5. Einen gesunden Optimismus behalten
Optimistisch zu bleiben ist nicht immer leicht und kann gerade in Krisen zu einer großen Herausforderung werden. Viele meinen, mit positivem Denken optimistischer werden zu können. Grundsätzlich ist das nicht ganz verkehrt, der Schuß kann aber auch nach hinten losgehen. Positives Denken kann sogar gefährlich werden, nämlich dann, wenn dabei die Realität verdrängt oder verleugnet wird.
Tipp: Wenn Du positiv denken willst, dann frage Dich vorher immer nach dem Preis.
Beispiel: Ein Pilot soll eine kleine Maschine mit 5 Insassen von London nach Paris fliegen. Eine Stunde vor dem Start zieht ein Schneesturm auf, die Startbahn ist vereist, und in dem Schneegestöber sieht man die Hand vor Augen nicht. Der Pilot denkt “wird schon gutgehen” und startet die Maschine.
Du weißt jetzt, worauf ich hinaus will. Nichts gegen positives Denken, aber in diesem Fall wäre der Preis im Fall des Scheiterns definitiv zu hoch.
Optimistisches Denken wäre z. B.: “Ok, dieses Mal habe ich den Kürzeren gezogen. Beim nächsten Mal klappt es besser” oder “Das ist kein Dauerzustand… morgen sieht die Welt schon wieder anders aus.”
6. Selbstvorwürfe aufgeben
Es bringt nur noch mehr Leid über Dich, wenn Du Dich zu allem “Übel” auch noch mit Schuldgefühlen und Selbstvorwürfen plagst. Damit ist keinem gedient. Allerdings sind Schuldgefühle am Anfang einer Krise keine Seltenheit. Wichtig ist nur, daß Du sie wahrnimmst und überprüfst, ob Du wirklich Schuld an Deiner Situation hast. Von Schuld kann nämlich überhaupt keine Rede sein. Schuld ist etwas, das uns die christliche Kirche seit vielen hundert Jahren einzureden versucht, leider mit Erfolg. Wir kommen ja schon als Sünder auf die Welt, nicht wahr. Vergiß das, das ist Quatsch. Ein resilienter Mensch fragt sich allenfalls, welchen Anteil er daran hatte, daß er nun in einer solchen Situation steckt, und erkennt, daß auch andere ihren Anteil daran haben. Er übernimmt Verantwortung für seine Situation und für seine Lösung. Das solltest Du beherzigen, damit tust Du Deinem Selbstwertgefühl einen großen Gefallen.
7. Plane zukunftsorientiert
Wer mich kennt, weiß, daß ich oft predige, daß das Hier und Jetzt der einzige Ort und die einzige Zeit ist, in der das Leben stattfindet. Aber das interessiert unsere Gedanken herzlich wenig, wenn sie mal wieder in der Vergangenheit oder in der Zukunft hängen. Und es bedeutet nicht, daß wir nicht planen dürfen. Resiliente Menschen beschäftigen sich mit der Frage “Was wäre wenn…?” — auch dann, wenn sie gar keine Krise haben. Und das ist gut so. Durch das gedankliche Durchspielen wechselnder Lebensumstände, z. B. das Älterwerden oder der Tod eines geliebten Wesens etc. sind sie mental besser auf Veränderungen im Zyklus des Lebens vorbereitet. Man nennt dieses Vorgehen auch “vorausplanendes Krisenmanagement”.
Menschen mit einer guten Resilienz vertreten die Auffassung, daß sich nichts aufhalten oder festhalten läßt. Nichts bleibt wie es ist. Leben ist Veränderung. Auch Niederlagen bleiben nicht für immer. Nach jedem Regen folgt auch wieder Sonnenschein. Für sie gibt es keine Probleme, sondern Herausforderungen, denen sie sich stellen und an denen sie wachsen können.
“Krise ist ein produktiver Zustand. Man muß ihr nur
den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.”
(Max Frisch, 1911–1991)
Literatur:
Sissell (2016): So erhöhst Du Deine Stresskompetenz: Die eigenen Stressauslöser erkennen und in kritischen Situationen clever und selbstbewusst handeln, Amazon.
Rampe, M. (2010): Der R‑Faktor: Das Geheimnis unserer inneren Stärke. — (Erstausgabe 2004), BOD.
Wolter, B. (2005): “Resilienzforschung” — das Geheimnis der inneren Stärke… In: systhema 3/2005, 19. Jhrg., S. 299–304.
Vielen Dank, Sigrid, das freut mich sehr 🙂
Super Sylvia, dein Artikel gefällt mir sehr gut. Muss dir auch mal ein ehrliches Kompliment machen, was du aus dir gemacht hast. Du hast immer an dir gearbeitet, viel ausprobiert und nie aufgegeben. Und du hast es weiss Gott auch nich leicht gehabt. Einfach großartig Cusinchen. Bin stolz auf dich und freue mich für dich